Synodaler Prozess
An zwei Abenden hat sich die BG Luzern-Nord mit je einem der 12 vorgegebenen Themen der Umfrage der Bistümer Basel, Chur und St. Gallen auseinandergesetzt. Im Verlaufe des Austausches haben sich in den Teilnehmenden Bedenken bzgl. der Anlage der Befragung gemeldet. Weil sie darüber nicht einfach hinweggehen wollten und konnten, haben sie (nach Beteiligung an der Umfrage - siehe ganz unten) ihr Unbehagen Ende November den verantwortlichen Bischöfen und dem Unternehmen, das die Umfrage durchführt, in einem Brief mitgeteilt.
Hier der Wortlaut:
An die Bischöfe Joseph Bonnemain, Markus Büchel, Felix Gmür
An gfs.bern.ag
Sehr geehrte Bischöfe
Sehr geehrte Zuständige von gfs.bern.ag
Als kleine Basisgruppe haben wir uns von der Einladung «Wir sind ganz Ohr für Ihre Stimme» beteiligen lassen. Dafür haben wir zwei Abende vorgesehen, an denen wir uns mit den Themenfeldern 4 und 5 auseinandersetzen wollten, da diese einen unmittelbareren Bezug zu uns haben denn andere.
Im Verlaufe des Austausches aber hat sich in uns Widerstand zum vorgegebenen Verfahren zu regen begonnen. Wir möchten diesen in drei Punkte fassen, von denen uns der dritte der wichtigste ist.
1
Zum Umfang der Befragung
Sie erwarten oder wünschen sich doch von möglichst vielen Menschen Antworten auf nicht weniger denn 27 Fragen. Fragen, die sich nicht mit einem Ja oder Nein beantworten lassen, sondern eine vertieftere und entsprechend zeitaufwendige Besprechung bedingen.
Diese Anlage widerspiegelt für uns auch eine der Ursachen, an denen die Amtskirche krankt: dass sie nur noch wenig Bezug zur Alltagsrealität heutiger Menschen hat. Oder auf die Umfrage gemünzt: Vielleicht hätte eine Kirche, die sich auch kurzfassen kann, auch grössere Nähe zur Lebenswirklichkeit der Menschen.
2
Zum Inhalt der BefragungZum einen vermissen wir das explizite Benennen von brennenden Themen wie Machtausübung, sexueller Missbrauch und Zerstörung von Menschen, Diskriminierung von bestimmten Gruppen, systemische Abwertung von Frauen, Klerikalismus, Glaubwürdigkeit der Kirche etc.
Zum anderen empfinden wir Fragen wie «Wo fühlen Sie sich in der Kirche als Frau, queere Person etc. gehört/nicht gehört?» als keine echten Fragen, weil die Antworten darauf seit Jahren auf dem Kirchentisch liegen.
3
Zur Form der Befragung
Wenn uns jemand zusagt, dass sie oder er ganz Ohr für uns ist, dann erwarten wir, dass auch tatsächlich zugehört wird und sich jemand wirklich für uns und unser Eigenes interessiert – was uns auf dem Herzen liegt, was uns auf der Seele brennt. So sind wir davon ausgegangen, dass wir auf Ihre Fragen auch unsere Antworten geben können.
Nun aber ist die Befragung so angelegt, dass wir unsere eigenen Stimmen nur sehr bedingt einbringen können, weil wir sie in erster Linie in vorgegebene Antwortschubladen unterbringen müssen – abgesehen von den 400 freien Zeichen, die zur Verfügung stehen.
Das ist das, was in uns vor allem Widerstand ausgelöst hat: Dass wir auf präzise Fragen immer nur ungefähre Antworten geben können, aber nicht wirklich die unseren, die eigenen, und dass wir unsere Stimmen vorformulierten Stimmen unterordnen und wie mit fremder Sprache sprechen müssen, wo wir doch «eben erst» gelernt und uns ermächtigt haben, auch im Kontext von Kirche in eigener Sprache zu sprechen.Dazu kommt, dass uns die meisten Antwortmöglichkeiten, die uns die Umfrage anbietet, nicht wirklich treffen, dass sie kaum etwas in uns bewirken, weder an überzeugter Zustimmung noch an dezidierter Ablehnung. Und dass wir sie in ähnlich standardisierter Art und Weise empfinden, wie uns schon seit Jahrzehnten Inhalte und Sprache «unseres» Glaubens durch die Amtskirche entgegenkommen.
Mit der Anlage der Befragung wird für uns eine effiziente Auswertbarkeit der Antworten über deren Echtheit, über deren Emotionalität, deren Individualität und deren Vielstimmigkeit gestellt.
Es hat für uns auch System, dass die Kirche nicht nach den Gefühlen der Menschen fragt bzw. diese nicht von grosser Bedeutung für sie sind. Kaum etwas anderes aber kann die Wirklichkeit von Menschen so abbilden wie deren Emotionen.
Wir empfinden Ihre Umfrage auch etwas als Beruhigungsmittel für die Aufgebrachten. Und wir sehen sie von ihrer Anlage her als ein weiteres kirchlich-hierarchisches Modell, in dem die einen die Fragen formulieren bzw. stellen und die anderen auf diese (durch Auswahl-Antworten) reagieren können.
Auch wenn wir nicht wissen, wie ein solcher angestossen werden könnte: Wir hätten uns anstelle einer Umfrage einen emanzipatorisch-befreienden Prozess gewünscht, der die Menschen ernst nimmt, der sie sieht, auch als Einzelne, der sie hört, auch gerade in ihren Enttäuschungen und Verletzungen, und der von ihnen und uns tatsächlich wissen möchte, wie wir denken, was wir fühlen, woran wir glauben und worauf wir noch unsere Hoffnung setzen.
Wir bedanken uns für Ihr Zuhören und grüssen Sie freundlich.
Basisgruppe Luzern-Nord
Christine Gleicher
Urs Häner
Jacqueline Keune
Josef Moser
Hans Schürmann
Hier die Antworten der BG Luzern-Nord auf drei Fragen der Themenfelder 4 und 5, die sie in die zur Verfügung stehenden 400 Zeichen einzufügen versucht haben:
Frage 4.1
Auf welche Weise inspirieren und orientieren das Gebet und die Gottesdienste das «gemeinsame Gehen», also das Leben in Ihrer Gruppe oder Ihrer Gemeinschaft?
Wichtig ist uns ein kontinuierlicher Rhythmus für das Teilen von Wort und Leben. Dank der stärkenden Verbindlichkeit an unseren Montagabenden, sonntags und übers Jahr erleben wir das Wachsen einer Grundhaltung in gemeinsamem Horizont. In der Fürbitte nehmen wir Anteil an Anliegen der einzelnen und an «Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten».
Frage 5.1
Was hilft Ihnen als Getaufte/r, für das Evangelium, den Glauben und die Kirche einzustehen?
Oft sind die Fragen von Suchenden hilfreich für unser eigenes Hinstehen, aber eigentlich werden wir eher zu wenig gefragt als zu viel … Religion gilt häufig als Privatsache. Hilfreich sind ausserdem bibeltheologisches Wissen und (kirchen-)geschichtliches Denken. Ermutigend sind zudem andere in Gruppen und Gemeinschaften sowie spirituelle Impulse zeitgenössischer und historischer Stimmen.
Frage 5.2
Wie unterstützt Ihre kirchliche Gemeinschaft die eigenen Mitglieder, die in einem Dienst in der Gesellschaft engagiert sind (sozial, ökologisch, wissenschaftlich, politisch etc.)?
Bezogen auf die Basisgruppe fühlen wir uns gegenseitig getragen, aber weil «kirchliche Gemeinschaft» ein vielschichtiger Bezugsrahmen ist, fragen wir uns, wer in welchem Zusammenhang wen unterstützt. Bestärkung ist vielfältig (z. B. Laudato si für Klimajugend, Kirchgemeinde für Sans-Papiers u. a.), nötig wäre, vermehrt nachzufragen in der Gemeinschaft und den Engagierten einen Resonanzraum zu geben.